"Campus-Legenden" mit Joachim Lux

Shownotes

Joachim Lux ist Dramaturg, Regisseur und langjähriger Intendant des Thalia Theaters in Hamburg. In dieser Folge von „Campus Legenden“ berichtet er, wie ihn sein Weg eher zufällig in die Welt der Theaterhäuser brachte. Im Gespräch mit Hauke Heekeren verrät Lux außerdem, dass er nach seinem Schulabschluss eigentlich nicht so recht wusste, was einmal aus ihm werden könne. Aufgrund seiner Begeisterung für die Fächer Deutsch und Geschichte entschied er sich schließlich für ein Germanistik- und Geschichtsstudium und schnupperte in dieser Zeit erste Theaterluft.

Transkript anzeigen

00:00:00: Geboren in Münster und aufgewachsen mit einer Leidenschaft für Theater und Literatur.

00:00:10: Nach seinem Studium der Germanistik und Geschichte in Münster und Tübingen arbeitete er als

00:00:15: Dramaturg und Regisseur an renommierten Häusern wie dem Schauspiel Köln, dem Düsseldorfer

00:00:20: Schauspielhaus und dem Bremer Theater. Zudem war er für die Salzburger Festspiele tätig.

00:00:26: Von 1999 bis 2009 war er Mitglied der künstlerischen Direktion des Wienerburg-Theaters und ab 2006

00:00:32: dessen Chefdramaturg. Seit 2009 ist der Intendant das Talier-Theaters in Hamburg und hat sich durch

00:00:38: seine Verdienste um das kulturelle Leben Hamburgs insbesondere die Veranstaltung der Lessing-Tage

00:00:43: ein Namen gemacht. Er wurde mehrfach ausgezeichnet und ist Mitglied in verschiedenen künstlerischen

00:00:49: Akademin und Institutionen. Heute ist der Zugast bei Universitätsprofessor Dr. Hauke Hegerin.

00:00:57: Joachim Lux.

00:00:59: Mein Name ist Hauke Hegerin und ich bin der Präsident der Uni Hamburg und ich spreche in diesem Podcast

00:01:12: mit Hamburger Persönlichkeiten über ihre Studienzeit und ihre Verbindung mit der Uni und

00:01:18: mit Hochschulen allgemein. Und wir sprechen über prägende Erlebnisse, überraschende Wendungen

00:01:23: und wegweisende Entscheidungen. Und mein heutiger Gast ist Joachim Lux. Er ist Deutscher Dramaturg

00:01:30: und Regisseur unter anderem mit Stationen in Köln, in Düsseldorf und in Wiener Burg Theater.

00:01:36: Und er ist seit 2009 Intendant des Talier-Theaters hier in Hamburg. Herzlich willkommen, liebe Herr Lux,

00:01:42: weil den Campus-Legenden mich freuen, dass sie da sind.

00:01:45: Danke schön, ja, ich bin auch gerne hier.

00:01:47: Wir wollen ja über die Studienzeit sprechen und mich interessieren da auch mal die Anfänge.

00:01:53: Sie haben ja damals in Münster angefangen zu studieren und sie kommen ja auch aus Münster.

00:01:59: Genau, was hat sie da so bewegt? Also ich kenne ja Münster auch aus eigener Erfahrung,

00:02:03: die ziemlichen Beamtenstadt damals. Wie war das bei Ihnen?

00:02:07: Ja, ich bin auch Beamtensohn und ich habe es zwischendurch gehasst.

00:02:11: Morgen, wenn ich die Zeitung aufgemacht habe, habe ich schon die erste Krise gekriegt, weil sie so CDU-lastig war.

00:02:17: Die zweite Krise, da gab es immer so grüne Abfalleimer, da stand drauf Münster, haltet deine Stadt sauber.

00:02:23: Also man kam sich in einer halt so sehr zurechtgestriegelten Stadt vor.

00:02:29: Und das, was heute Münster so bunt macht, anders als damals, war, dass es zwar auch eine wichtige Universitätsstadt war,

00:02:37: aber es war lange nicht so groß und so vielfältig, wie das heute ist.

00:02:41: Also heute findet das eigentlich eine super Stadt für Studenten.

00:02:45: Also das war eine gute Uni. Wie ist es gewesen mit der Studienfachwahl?

00:02:49: Wie sind Sie auf Ihre Fächer gekommen?

00:02:51: Ich finde ich ein Riesenproblem, weil ich wundere mich immer, wenn Leute sagen,

00:02:55: ja ich werde übrigens Orthopäde oder ich werde, keine Ahnung, Augenoptiker.

00:03:01: Weil woran orientiere ich mich bei der Suche und bei mir war es wirklich extrem fantasielos.

00:03:06: Ich war gut in Deutsch und Geschichte zum Beispiel.

00:03:10: Ich war auch in Mathe gut, aber in Deutsch und Geschichte, also habe ich Deutsch und Geschichte studiert.

00:03:15: - Gut. - Gamalistik und Geschichte.

00:03:19: Der Weg des geringsten Wienerstands.

00:03:21: Ja und ich wusste aber von vornherein, dass ich auf jeden Fall ein Staatsexamen mache

00:03:26: und keinen Magister hat, was es damals schon gehabt war.

00:03:29: Das war die minderwertigere Ausbildung.

00:03:32: Und ich wusste zugleich, dass ich kein Lehrer werden will.

00:03:35: Und was ich aber werden will, oder zum Trost für andere Studenten, das wusste ich aber trotzdem nicht.

00:03:40: Okay. Heute wissen Sie es mittlerweile, dass Sie werden wollen.

00:03:45: Wie ging das denn dann weiter? Weil Sie sind dann ja nach Tübingen gewechselt?

00:03:49: Ja, ich habe das Grundstudium, habe ich im Münster gemacht.

00:03:52: Da hatte ich glaube ich, wenn ich mich nicht falsch erinnere, sogar ein paar Bedeutekum bei einem gewissen Herrn Lenz.

00:03:57: Wo war ich mich in Sinne?

00:03:59: Guck an.

00:04:01: Und dann gab es so was, ich will raus aus der Stadt, wo ich herkomme.

00:04:07: Tübingen war so, dass der Leuchtturm des Geistes, also da war Walter Jens, da war Hans Küngen, da war Ernst Bloch.

00:04:17: Da waren also wichtige Gestalten der Geisteswissenschaft.

00:04:22: Und das hat mich motiviert, dort hinzugehen.

00:04:25: Und da bin ich auch sehr glücklich und zufrieden gewesen, habe da gerne gelebt.

00:04:30: Ich bin mit meiner Freundin zusammengezogen, das war was ganz Besonderes damals.

00:04:35: Und habe mich dann in Tübingen allerdings sehr früh schon neben dem Studium für Kultur interessiert.

00:04:42: Ich habe so Festivals gemacht, große Festivals, also die Berufstätigkeit ohne es richtig zu wissen fing eigentlich parallel an.

00:04:50: Dann habe ich angefangen zu promovieren.

00:04:53: Da gab es dann so und so viele Aktenordner mit Materialesammlungen.

00:04:57: Und dann habe ich einen Job gekriegt und dann habe ich es hingeschmissen.

00:05:02: Ich wollte ja nochmal einhaken bei den Festivals.

00:05:05: Also was haben Sie da genau gemacht?

00:05:07: Also es gibt in Tübingen in der Tradition der einstmals berühmten Clubvoltaires.

00:05:13: Gibt es glaube ich heute einen Clubvoltaire, das war sozusagen, ja, es war die Frühzeit der grünen Bewegung.

00:05:21: Das war so alternative Geschichte.

00:05:24: Wir haben den Marktplatz bespielt, da kam ein damals sehr berühmter Niedermacher regelmäßig vorbei,

00:05:31: der gerade sein, nee, sein Land nicht verlassen hatte.

00:05:35: Also der kam trotzdem vorbei, Wolf Biermann, mit dem ich jetzt mittlerweile bei ihm zu Hause sitze.

00:05:42: Und das spielt dann auch.

00:05:44: Ich habe das dann erweitert, dann gab es eine Band, weil ich war da auch dann so Oppositionen gewissermaßen.

00:05:49: Da ist irgendwas bei mir los.

00:05:51: Ich habe gedacht, nee, dieses Tübingen, alle mit ihren Latzhosen und ihren Müsli, das ist ja unerträglich.

00:05:56: Das war so diese Zeit.

00:05:57: Und dann habe ich auf Spaß, sozusagen im schlingensiefischen Aktionismus,

00:06:02: dann habe ich eine Bürgerninitiative für McDonalds im Tübingen gegründet.

00:06:06: Und dann kam diese New Wave Zeit, musikalisch gesehen.

00:06:10: Und dann habe ich eine Band engagiert und habe das für einen kleinen Saal für 150 Leute, das war schon mutig.

00:06:17: Und als die dann ihre Deutschlandtournee von Norddeutschland Richtung Süddeutschland fertig hatten,

00:06:23: waren wir über Mensa 1, in die Mensa 2, wo 2000 Menschen reingehen, gewechselt.

00:06:30: Das war damals Trio.

00:06:32: Nein, Trio, da, da, da für die eingeweihten.

00:06:36: Das ist ja fantastisch.

00:06:38: Also solche Sachen habe ich gemacht, aber eben auch eines Bloch gelesen.

00:06:43: Wir haben uns mit Antonio Gramschi beschäftigt, also ob es eine zweite Kultur gibt oder ob es immer nur Subkulturen gibt,

00:06:50: die in die erste aufsteigen.

00:06:52: Ja, eine spannende Zeit.

00:06:54: Ich wollte das gerade nochmal auf der Zunge zergehen lassen.

00:06:56: Also Sie haben, dann ist es ungefähr 80, Anfang der 80er wahrscheinlich so, haben Sie für McDonalds demonstriert.

00:07:03: Ja, ich war noch nie in meinem Leben bei McDonalds, muss ich noch dazu sagen.

00:07:11: Und das Ganze dann im New Wave Look?

00:07:15: Ja, genau.

00:07:16: Sie haben Kreativität, Tigerhose, Stiefeletten, Promade im Haar.

00:07:27: Ja so, genau.

00:07:29: Okay, Straß, vielleicht noch Straßschmuck?

00:07:31: Ja, wie lange hat die Phase angehalten?

00:07:36: Nicht lange, weiß ich nicht, anderthalb Jahre oder so.

00:07:39: Okay, ich stelle es mir jetzt gerade bildhaft vor.

00:07:42: Sie müssen uns um ein wenig noch ein Bild davon liefern, Herr Lux.

00:07:48: Das muss dann nachher halt bleiben.

00:07:50: Jetzt kommen wir noch mal zurück zu dem Festival.

00:07:53: Und das klingt ja danach, dass Sie es gerade so beschrieben haben, im Grunde hat die Bühne Sie gefunden, während des Studiums.

00:07:59: Ja, durch Zufälle.

00:08:01: Also es hat ganz, ganz ursprünglich noch anders angefangen, auch überraschend eigentlich.

00:08:06: Ich komme, wie gesagt, aus Münster.

00:08:08: Münster ist katholisch und ich bin auch katholisch groß geworden.

00:08:11: Und war Messdiener im Dom.

00:08:15: Und da steigt man auf vom Akkuluten, das sind die, die Kerzen tragen, zum Weihrauchschwenker.

00:08:21: Und der Weihrauchschwenker hat das Privileg, dass er während der Predigt in der Pause sozusagen rausgehen soll,

00:08:29: damit nicht das ganze Weihrauch sich überall hin verduftet.

00:08:32: Und da quatscht man mit Freunden und Bekannten, die auch das machen.

00:08:36: Und dann gibt es welche, die machen so ungefähr das Ähnliche nur im Theater.

00:08:40: Und so bin ich Theaterstatist geworden und habe dann in der Oper als Statist mitgemacht.

00:08:46: Und das hat mich tatsächlich auch neben dem Studium parallel.

00:08:50: Das hat mich extrem fasziniert.

00:08:52: In Münster?

00:08:53: In Münster, ja.

00:08:54: Ich weiß noch mal meine erste Rolle, das war Italienerin in Alger, in einer Oper.

00:08:58: Und da war ich Sklave und musste sozusagen den Müllstein drehen.

00:09:03: Das war mein Hoffnungsverband.

00:09:05: Aber das war total schön.

00:09:07: Das sind die Gerüche von der Maske.

00:09:09: Das ist dieses Licht.

00:09:11: Das ist diese Magie, die Theater da für mich jedenfalls gehabt hat.

00:09:15: Und das hat mich dann sozusagen nie wieder losgelassen.

00:09:20: Und hat auch meiner Germanistik irgendwie einen Sinn gegeben,

00:09:23: weil Literatur oder Dramentexte ja jedenfalls dafür da sind.

00:09:27: Das ist wie wenn man Noten schreibt, aber keiner macht Musik damit.

00:09:31: Also die sind dafür da, dass sie gesprochen und gespielt werden.

00:09:35: Und das hat mir, das macht mir bis heute eigentlich sehr viel Spaß.

00:09:41: Wann war Ihnen das klar?

00:09:43: Sagen vorhin, am Anfang wussten Sie gar nicht, was Sie mal werden wollen.

00:09:46: Wann wurde Ihnen das klarer, was Sie mal werden wollen?

00:09:48: Das ist wirklich so, ich bin reingeschlittert.

00:09:50: Das ist so entstanden.

00:09:52: Ich habe jetzt einen Wochenende gegrübelt.

00:09:54: Jetzt will ich doch das werden oder drei Monate gegrübelt.

00:09:57: Es ist wirklich durch Nebentätigkeiten entstanden.

00:10:01: Es war aber auch eine andere Zeit.

00:10:03: Also wir hatten vier Monate Wintersemester und ich glaube drei Monate oder so Sommersemester.

00:10:10: Also das heißt Lehrbetrieb.

00:10:12: Und dazwischen hatten wir wirklich Semesterferien, was nicht heißt Ferien,

00:10:16: aber man musste seine Arbeiten schreiben und so.

00:10:18: Aber man hatte viel Möglichkeiten, zeitliche,

00:10:21: nicht anstatt der Uni, sondern neben und parallel zur Uni,

00:10:25: ob jetzt Geld zu verdienen oder solchen Dingen nachzugehen oder auch für sich rauszufinden,

00:10:30: was man vielleicht wollen würde.

00:10:32: Die Uni war ja nicht so verschult, wie das heute ist.

00:10:35: Und wann haben Sie gemerkt, so jetzt ist es eigentlich klar, in welche Richtung es geht?

00:10:39: Erst durch das Angebot, weil ich habe angefangen zu promovieren

00:10:43: über ein gigantisch komplexes Thema.

00:10:46: Worüber?

00:10:47: Über Volkstheater.

00:10:49: Also mit der Theorie sozusagen,

00:10:51: dass im Entstehen von kulturellen Gattungen die eigentlich immer eine große Breite haben

00:10:56: und dann kommt die Spezialisierung.

00:10:58: Also von der Antike, wo das für das Volk war,

00:11:01: bei Shakespeare, wo das für das Volk war,

00:11:03: oder im Filmbusiness, die ersten Stumpffilme, Charlie Chaplin, Basta Keaton,

00:11:09: das ist sozusagen für alle konsumierbar

00:11:11: und Art House und Mainstream sind nicht voneinander getrennt.

00:11:14: Also das wollte ich über verschiedene Gattungen des szenischen,

00:11:18: historisch und aktuell und komparatistisch irgendwie vergleichen.

00:11:22: Aber es ging um Theater.

00:11:24: Nur ich habe es dann nicht gelebt, sondern ich habe darüber geschrieben.

00:11:27: Und dann habe ich gedacht, das habe ich eine Möglichkeit.

00:11:30: Da springe ich jetzt rein.

00:11:31: Und das war dann der erste Job?

00:11:33: Das war dann witzigerweise in Münster,

00:11:36: aber auch nur für neun Monate, im letzten Jahr des Intendanten,

00:11:40: dann habe ich drei Monate bei meinen Eltern geschlafen,

00:11:43: dann drei Monate habe ich in der Leeresapartment mit einer Matratze gehabt

00:11:47: und dann nochmal drei Monate bei meinen Eltern.

00:11:49: Und dann hatte ich genau das gleiche Angebot für Tübingen,

00:11:52: wo meine Sachen in der Schäuhe standen.

00:11:54: Dann habe ich die da wieder rausgepackt.

00:11:56: Und dann für ein Jahr habe ich das dann in den Typing gemacht, wo es auch eben das letzte Jahr war.

00:12:00: Und habe mich auch überhaupt nicht um meine Zukunft gekümmert.

00:12:04: Also ich muss das wirklich so sagen. Und dann war dieses Jahr schon wieder vorbei.

00:12:08: Und dann kam plötzlich ein Angebot nach Köln zu gehen.

00:12:11: So. Ich habe irgendwie ein bisschen Glück gehabt, glaube ich.

00:12:14: Und haben Sie das Studium abgeschlossen?

00:12:16: Ja.

00:12:18: Sie haben hier Staatsexamen gemacht, wie Sie es vorhatten.

00:12:21: Das habe ich gemacht, ja, ja. Genau. Absolut.

00:12:25: Ich bin irgendwie zuverlässig, fleißig, aber nicht, aber sozusagen nicht raffiniert.

00:12:32: Also ich sage, ich glaube, ich will das werden. Das muss ich ja strategisch so und so anstellen.

00:12:37: Das war nicht so.

00:12:39: Und gibt es noch sozusagen aus der Studienzeit jetzt Kontakte, die Sie gehalten haben, also Komponitonen und Komponitonen, die Sie noch verbinden?

00:12:46: Ganz wenig. Ganz wenig.

00:12:52: Am ehesten noch, ich habe es ein paar Mal wieder getroffen durch prufliche Umstände.

00:12:57: Aber damals ist das Basiskruppe, haben wir gegründet.

00:13:02: Also wir waren ja nicht mehr DKP oder KPD oder KBW, sondern wir waren ja eher so grün Alternative.

00:13:11: Und haben uns dann so getroffen und haben TV-Leit, Männerfantasien, hieß das Buch.

00:13:19: Ich glaube, das hat sogar wieder so eine kleine Welle bekommen.

00:13:22: Haben wir gelesen, zusammen gelesen.

00:13:25: Wir haben überhaupt Bücher auch zusammen gelesen, auch das Prinzip Hoffnung von Bloch.

00:13:29: Und aus diesen Kreisen da trifft man sich so, aber auch sehr sporadisch.

00:13:34: Und die sind wahrscheinlich jetzt alle Minister oder Ministerin bei den Grünen?

00:13:39: Nein, es ist völlig verschieden. Also irgendwer hat dann ein Filmhaus übernommen, irgendwer ist Zahnarzt geworden, ganz verschieden.

00:13:47: Ich spiele mal nach vorne, sind ja dann ziemlich rumgekommen auch und irgendwann in Wien gelandet, im Burgtheater.

00:13:54: Wie ist das dann dazu gekommen, dass sie diese wunderschöne Stadt Wien verlassen und gesagt haben, ich gehe jetzt nach Hamburg.

00:14:01: Und wie war das?

00:14:03: Ja, das passen in die vorher erzählte Geschichte.

00:14:05: Ich war im neunten oder zehnten Jahr im Burgtheater, also auch für Theaterverhältnisse sind das immer sehr lange Zeiten.

00:14:14: Und es war, glaube ich, so März oder sowas.

00:14:19: Und ich habe draußen meinen Fahrrad abgeschlossen.

00:14:24: Und ich war so in der Hocke und dann habe ich hinter mir kam eine Stimme.

00:14:29: Sie kriegen ja ihren, hm hm hm, auch nicht mehr hoch.

00:14:33: Bin ich empört, habe ich gedacht, was ist das denn? Ich habe mich umgedreht.

00:14:37: Und es war mein Lieblingskritiker, den ich wirklich sehr schätze, weil er das Theater wirklich liebt.

00:14:43: Und dann habe ich gesagt, wie meinen Sie das denn?

00:14:45: Naja, wollen Sie jetzt hier lebenslänglich im Burgtheater bleiben oder was?

00:14:49: Habe ich gesagt, ja, weiß ich nicht, ich finde es jetzt nicht so schlecht hier, ja.

00:14:52: Und dann hat er gesagt, schreiben Sie doch mal nach Hamburg.

00:14:56: Also es kam, war auch in einem Puls von außen.

00:15:00: Und dann habe ich halt mal nach Hamburg geschrieben.

00:15:03: Man kann es so einfach sein, ne?

00:15:07: Ja, aber das klingt jetzt, ja, ich weiß nicht, wie das klingt.

00:15:12: Aber es ist schon so, dass ich sehr, sehr fleißig und engagiert bin, immer.

00:15:16: Aber nicht so sehr in der Planung der eigenen Karriere oder was man dafür hält.

00:15:21: Sehr spannend. Scheint ja so eine gewisse Achse auch zu geben zwischen Wien und Hamburg.

00:15:26: Ich habe jetzt, mir kommen jetzt viel mehr Namen ein, mittlerweile auch.

00:15:29: Wie war das denn? Ist das ein Kulturschock oder ist es, wie ist das im Vergleich?

00:15:33: Es ist auf jeden Fall ein Kulturwechsel und passt deswegen so gut zusammen wahrscheinlich.

00:15:38: Also Wien ist katholisch, feudal oder royal.

00:15:43: Es liegt zumindest in der Nähe der Berge, es liegt viel im Osten, es liegt im Süden.

00:15:48: Und Hamburg ist protestantisch und republikanisch und in der Meeresnähe.

00:15:53: Also da gibt es vordergründlich wenig Vergleichbarkeiten.

00:15:57: Aber beides sind keine Industriestädte, muss man ja auch sagen.

00:16:00: Was man am deutlichsten spürt und zwar beides mit Vorsicht zu genießen, finde ich,

00:16:07: dass in Wien eine unglaublich, ja, oder ersatz royalistische Verehrung für die Künste.

00:16:14: Also man wird um Autogramme gefragt, obwohl man gar nichts geleistet hat eigentlich

00:16:18: oder die einen gar nicht kennen, hat eine enormen Stellenwert tatsächlich.

00:16:22: Geld hat da eher weniger an Stellenwert, das ist den egal.

00:16:26: Und eines meiner ersten Erlebnisse hier war, meine ersten Spielzeit,

00:16:30: haben wir mit einer Inszenierung einen riesen Erfolg gehabt, das war Wojcek.

00:16:34: Und man ist so rausgegangen und vorm Theater standen dann zwei so Damen

00:16:37: und da hat die eine zu anderen gesagt, ja, was das Wojcek kostet hat, nee.

00:16:41: Das wäre inwiegend undenkbar, weil es ist eine Verwaltungsstadt.

00:16:45: Hamburg ist dann eine Stadt der Kaufleute.

00:16:48: Dann wirkt mich mal noch, weil wir haben ja, wenn man so jetzt kurz mal sozusagen die Flughöhe erhöht,

00:16:55: sozusagen Positionen der Uni, Rolle der Wissenschaft in der Gesellschaft,

00:17:01: weil ich glaube, Sie haben mich gerade geträgt mit die Künste,

00:17:03: wir werden die Künste gesehen, Rolle der Theater, Rolle der Kunst,

00:17:07: gerade in der führende liberale Demokratie.

00:17:10: Wie ist Ihr Blick auf die Uni? Gibt es Berührungspunkte?

00:17:13: Zwischen der Uni und der Theater.

00:17:15: Ja, und Ihnen persönlich?

00:17:17: Also ich bin nicht oft in der Uni, also ich war jetzt mal als Gutachter für eine Professur,

00:17:21: aber ich bin jetzt kein ständiger Gast in irgendwelchen Universitätsbibliotheken oder Seminaren.

00:17:26: Es ist eher so, dass ich irgendwie denke, ich hätte Lust mal wieder zu studieren,

00:17:30: weil man hackelt und arbeitet und macht und tut.

00:17:33: Und da habe ich so eine Vorstellung, Anthropologie würde mich interessieren,

00:17:38: weil ich nicht verstehe, warum wir so sind, wie wir sind.

00:17:41: Was mich interessiert ist, das ist aber schwer gefährdet.

00:17:45: Es tärter sollte ein Freiraum sein, und die Uni sollte das auch sein.

00:17:49: Und ich finde momentan die Grundideologisierung tatsächlich freiheitsbedrohend.

00:17:59: Ich finde das nicht gut.

00:18:00: Was meinen Sie genau?

00:18:02: All diese identitären Politik von der einen wie von der anderen Seite finde ich sehr, sehr schwierig.

00:18:09: Welche Rolle würden Sie sich dafür das Theater wünschen?

00:18:14: Also was sollte da noch anders sein?

00:18:16: Das wird offen nach Raum bleiben, also dass wir nicht zu allem und jedem Stellung beziehen müssen.

00:18:22: Also ich bin sehr gesellschaftspolitischer Mensch, das ist gar nicht die Frage.

00:18:26: Aber dass wir das nicht müssen, ersatzweise für eine Gesellschaft,

00:18:29: die Probleme hat, ihre eigenen inneren Zerrissenheiten und Konflikte vernünftig auszuhandeln,

00:18:35: wird dann immer nach dem Theater gerufen.

00:18:38: Das finde ich schwierig, weil wir sind am Ende des Tages als allererstes Künstler.

00:18:43: Und da finde ich in der Wissenschaft ein ähnliches Problem.

00:18:46: In meiner Zeit war das, da gab es, das sind alles Bücher, die man weggeworfen hat.

00:18:49: Da war sozusagen die Durchideologisierung des späten Maxismus letztendlich,

00:18:55: die Maxistische, Materialistische Literaturwissenschaft, die hat kein Mensch mehr im Regal.

00:19:00: Die sind alle weggeschmissen. Die guten alten Klassiker, der Literatur meines Faches,

00:19:05: die stehen da noch. Und das wird mit diesen Publikationen, die sich da jetzt in eine bestimmte Richtung exponieren,

00:19:13: denen wird das wahrscheinlich nicht anders gehen.

00:19:16: Also wir arbeiten natürlich auch sehr stark dann als Uni in offener Diskursraum weiterhin auch zu sein.

00:19:23: Ich weiß nicht, ob das wie sich das ist, das ist wichtig.

00:19:25: Aber sie müssen es engagiert wollen, das ist passiert nicht von alleine.

00:19:28: Man muss es hegen und pflegen. Ich würde gerne nochmal auf jetzt zur Richtung Ende des Gesprächs auf zwei Punkte kommen.

00:19:34: Sie hatten es gerade schon angesprochen, dass sie sich vorstellen könnten nochmal zu studieren.

00:19:38: Das finde ich sehr faszinierend, gerade auch, genau, sie gehen, glaube ich, die letzte Spielzeit vor sich,

00:19:44: an 20, 25 auf als Intendant.

00:19:47: Das heißt, sie könnten sich vorstellen dann nochmal zu studieren oder wie geht es dann für sie weiter?

00:19:52: Ja, ich kann mir verschiedenst vorstellen. Also wie es weitergeht weiß ich noch nicht.

00:19:54: Aber ich kann mir verschiedenst vorstellen. Also ich kann mir nicht vorstellen nochmal so eine Institution zu machen.

00:20:00: Das ist wirklich dann absolut genug.

00:20:03: Ich kann mir aber in meiner Branche sozusagen auch vorstellen, ein Festival zu machen.

00:20:08: Ich kann mir vorstellen, an der Uni zu studieren.

00:20:11: Ich kann mir auch vorstellen, Menschen was beizubringen.

00:20:14: Ich kann mir aber auch vorstellen, vielleicht mal, ich sage mal mal, was Sinnvolles zu tun.

00:20:20: Man kann mir auch ein paar soziales zum Beispiel, Menschen helfen, unterstützen.

00:20:23: Und ich kann mir auch vorstellen, vielleicht irgendwas mit Natur zu tun zu haben.

00:20:28: Also ich habe eigentlich, es ist wie beim Fahrrad, wo der mich davon hinten angesprochen hat.

00:20:33: Das Spektrum ist noch groß.

00:20:35: Und ich vertraue darauf, dass das Leben das selber entscheidet.

00:20:40: Und ich natürlich dann mit.

00:20:42: Ja, ich spüre da eine tolle Offenheit.

00:20:44: Und wenn Sie jetzt an Studium nochmal denken, Sie hatten vorhin schon gesagt, Anthropologie würde Sie interessieren.

00:20:49: Ist noch andere Fächer?

00:20:50: Ja, verwandte Fächer wie zum Beispiel, wobei es ist vielleicht fast das gleiche empirische Religionswissenschaft.

00:20:57: Also, komparatistische Religionswissenschaft so.

00:21:01: Das würde mich interessieren, das ist aber eine benachbarte Geschichte zur Anthropologie.

00:21:06: Also ich finde, wir machen ja jedes Jahr mit der Akademie der Weltreligion, die mit der Uni verbunden ist,

00:21:14: eine sogenannte lange Nacht der Weltreligion.

00:21:18: Dann setzen wir nebeneinander zum Beispiel Vorstellungen von einem Leben nach dem Tod,

00:21:22: also wie eine Anthologie eigentlich von Naturreligion, von östlichen, westlichen, christlichen, mono- oder politistischen Religionen.

00:21:29: Und das haben wir an verschiedensten Fragen über den Ursprung und über den Tod und so durchbuchstabiert.

00:21:36: Und das finde ich tatsächlich sehr, sehr spannend, weil sozusagen in diesen Urformen die Einfachheit,

00:21:44: was Menschen eigentlich umtreibt oder wie sie sich ein Welt herbeifantasieren

00:21:51: oder wie sie anfangen, Weltgestaltung ist ja erzählen und untersuchen, forschen.

00:21:56: Wie ist das und wie die das gemacht haben und zwar, finde ich, egal welches Volk oder welche Kultur, das finde ich aufregend.

00:22:05: Na, das ist nicht doch spannend, da wären Sie, glaube ich, bei uns genau in der richtigen Anwesse, die wir haben.

00:22:10: Ich habe noch eine Frage zum Schluss. Zwar würde ich Sie bitten, sich einmal vorzustellen.

00:22:14: Sie hätten jetzt die Gelegenheit, so aus Ihrer Mit dem Wissen von heute, mit allem, was Sie gestaltet haben in Ihrem Leben,

00:22:20: dem Joachim von 1976 zu Beginn des ersten Semesters nochmal was zuzurufen. Was würden Sie ihm sagen?

00:22:27: Ich würde ihm das sagen, was heute, glaube ich, aber fast üblich ist.

00:22:31: Ich habe tatsächlich direkt nach der Uni angefangen zu studieren. Das wäre keine gute Idee.

00:22:36: Das wäre besser gewesen, ein Jahr lang mal, was man heute "Work and Travel" nennt,

00:22:41: oder vielleicht auch irgendwo zu arbeiten, um mal zu wissen, wie ein Berufsleben ist.

00:22:47: Also sich selber nochmal andere Erfahrungen auszusetzen, die nicht schulisch sind oder nicht universitär,

00:22:53: sondern dem wirklichen Leben zu begegnen. Das hat zwar auf einer anderen Ebene trotzdem stattgefunden,

00:22:59: aber da hätte ich gesagt, lasst ihn mal ein Jahr mehr Zeit und liegt deinen Eltern ruhig nochmal ein Jahr länger auf der Tat.

00:23:05: Und gibt es noch irgendwas in der Studienzeit, wo Sie sagen, dass da habe ich was verpasst?

00:23:11: Das hätte ich anders machen sollen?

00:23:13: Ja, ich wusste nicht immer so ganz genau, zu welchem Zweck man jetzt dieses oder jenes macht.

00:23:21: Ich fand das Grundstudium, das fand ich manchmal extrem langweilig.

00:23:26: Das glaube ich heute auch so, weil ich das bei meiner Tochter verfolgt habe.

00:23:32: Und eigentlich losgehen tut es mit dem Hauptstudium.

00:23:35: Und in dem Hauptstudium habe ich gedacht, jetzt komme ich mal endlich zum eigentlichen.

00:23:39: Und dann ist er aber auch schon wieder vorbei gewesen.

00:23:42: Genau, vorbei ist das Stichwort. Wir sind am Ende des Gesprächs.

00:23:46: Vielen Dank lieber Alex für das gute Gespräch.

00:23:48: Ganz herzlichen Dank, dass Sie da waren.

00:23:50: Tschüss.

Neuer Kommentar

Dein Name oder Pseudonym (wird öffentlich angezeigt)
Mindestens 10 Zeichen
Durch das Abschicken des Formulars stimmst du zu, dass der Wert unter "Name oder Pseudonym" gespeichert wird und öffentlich angezeigt werden kann. Wir speichern keine IP-Adressen oder andere personenbezogene Daten. Die Nutzung deines echten Namens ist freiwillig.