"Campus-Legenden" mit Amelie Deuflhard
Shownotes
Amelie Deuflhard, Intendantin des Hamburger Kulturzentrums Kampnagel, stammt aus einer bürgerlichen Familie. Hier galt es, Jura oder Medizin zu studieren. Doch weil sich die gebürtige Stuttgarterin weder für das eine noch das andere begeisterte, führte ihre akademische Laufbahn sie in die Geisteswissenschaften. Nach den Geburten ihrer vier Kinder hielt Deuflhard ihre berufliche Karriere für beendet und widmete sich deswegen ihrer privaten Leidenschaft: dem Theater. Im Gespräch mit Universitätspräsident Dr. Hauke Heekeren erzählt sie, wie sich aus diesem Entschluss eine berufliche Erfolgsgeschichte entwickelte.
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00:00:00: Geboren und aufgewachsenen Stuttgart studierte sie Romanistik, Geschichte und Kulturwissenschaften
00:00:10: in Frankfurt am Main, Tübingen sowie Mont-Payet.
00:00:13: Nach einer wissenschaftlichen Mitarbeit an der Universität Tübingen zog es sie Mitte
00:00:18: der 80er Jahre nach Berlin, wo sie als Produktionsleiterin für freie Theater, Tanz- und Musikprojekte
00:00:24: tätig war.
00:00:25: 1998 übernahm sie die Produktionsleitung sowie die Leitung der Öffentlichkeitsarbeit
00:00:30: der Berliner Sofienseele und kurz darauf die Geschäftsführung und Intendanz.
00:00:35: Als Teil der künstlerischen Leitung des Volkspalast war sie für die festivalartige Bespielung
00:00:39: des Palastes der Republik mitverantwortlich.
00:00:42: Seit 2007 ist sie die künstlerische Leiterin und Geschäftsführerin von Kampnagel und mehrfache
00:00:48: Preisträgerin unter anderem des Berliner Theaterpreises.
00:00:51: Heute ist sie zu Gast bei Universitätspräsident Dr.
00:00:55: Hauke Hekerin.
00:00:57: Amelie Deufelhardt.
00:00:59: Mein Name ist Hauke Hekerin und ich bin der Präsident der Uni Hamburg.
00:01:10: In diesem Podcast spreche ich mit Hamburger Persönlichkeiten über ihre Bildungsreise,
00:01:15: ihre Studienzeit und ihre Verbindung mit der Universität Hamburg.
00:01:20: Wir erkunden prägende Erlebnisse, überraschende Wendungen und wegweisende Entscheidungen.
00:01:25: Mein heutiger Gast ist Amelie Deufelhardt.
00:01:29: Sie wuchs in Stuttgart auf und studierte Romanistik, Geschichte und Kulturwissenschaften
00:01:35: in Frankfurt am Main, Tübingen und Montpellier.
00:01:39: Anschließend arbeitete sie unter anderem als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der
00:01:44: Universität Tübingen.
00:01:45: Sie war in den 1990er Jahren als Produktionsleiterin für freie Theater, Tanz und Musikprojekte
00:01:51: in Berlin tätig und übernahm danach die Leitung der Berliner Sofienzähle.
00:01:55: Amelie Deufelhardt ist seit 2007 Intendantin von Kampnage, der größten freien Bühne für
00:02:02: internationale Performing Arts in Deutschland.
00:02:05: Herzlich willkommen, liebe Frau Deufelhardt.
00:02:06: Sehr schön, dass Sie da sind.
00:02:08: Vielen Dank für die Einladung.
00:02:09: Sehr gerne.
00:02:10: Fangen wir mal ganz vorne bei Ihrer Bildungsreise an.
00:02:15: Sie sind ja in Stuttgart aufgewachsen und haben dann so irgendwann in den späten 70ern
00:02:20: Abi gemacht.
00:02:21: Wie war das damals bei Ihnen?
00:02:22: Was hat Sie damals bewegt?
00:02:25: Was hatten Sie für eine Fantasie über Ihr zukünftiges Leben?
00:02:28: Ich habe glaube ich relativ viel nachgedacht, was ich in Zukunft machen kann, weil ich war
00:02:32: so ein bisschen so ...
00:02:33: Also ich hatte jetzt nicht so eine Spezialbegabung für ein Fach und habe eine ganze Zeit überlegt,
00:02:41: was ich so alles machen könnte.
00:02:43: Und was ich mir komischerweise nicht überlegt habe, ist, dass ich irgendwas mit Theater
00:02:47: studieren könnte, weil das war zwar so mein sehr bevorzugtes Hobby, aber ich hatte nicht
00:02:54: so richtig die Fantasie, wie ich das zu einem Beruf machen kann und kam aus einer bürgerlichen
00:03:00: Familie, wo man ohnehin nur sinnvollerweise Jura oder Medizin studieren durfte.
00:03:04: Darauf hatte ich keine Lust.
00:03:05: Und ja, dann bin ich aber immerhin mal in die Geisteswissenschaften reingegangen und
00:03:11: habe da angefangen in Frankfurt zu studieren.
00:03:14: Eigentlich wollte ich in Tübingen anfangen und würde dann von der ZVS, obwohl ich ein
00:03:18: sehr gutes Abi hatte, fand ich ungerecht, nach Hamburg eingeteilt, weil das ging nach
00:03:23: irgendeinem Zufallsverfahren.
00:03:24: Genau, die Zentralstelle für Vergabe von Studienplätzen.
00:03:28: Genau.
00:03:29: Und ja, das ist ein spannendes Verfahren, was manchmal so dann das Schicksal prägt.
00:03:32: Sie haben jetzt gerade was gesagt, dass eigentlich Theater so ihr Hobby war.
00:03:36: Wie hat sich das geäußert?
00:03:37: Haben Sie selbst gespielt oder sind Sie viel ins Theater gegangen?
00:03:40: Ich habe auch ein bisschen gespielt, aber hauptsächlich bin ich viel ins Theater gegangen und habe
00:03:44: auch so eine Geschichte gemacht an meiner Schule, wo ich heute im Berufsleben schon seit
00:03:50: 20 Jahren versuche, ob man das nicht hinkriegen kann, aber ich habe es noch nie hingekriegt.
00:03:54: Ich habe quasi selber in der Schule, also in der gesamten Schule so ein System entwickelt,
00:04:00: mit anderen Schülerinnen zusammen mit ins Theater zu gehen und habe quasi die Karten
00:04:05: besorgt bzw. auch so ein System entwickelt, wie wir dann die Karten besorgt haben, so
00:04:08: die Schüler*innenkarten und dann zusammen nach Stuttgart ins Theater zu gehen, wo der
00:04:14: damalige große Theater-Rebel Klaus Peimann intendant war, der eigentlich besondere
00:04:22: Berühmtheit hat euch erlangt, dass er Kutton Enselin den Zahnersatz finanziert hat und
00:04:27: dafür im Stuttgarter Theater, was eben ein bürgerliches Stadttheater war und heute auch
00:04:33: noch ist, hat er Geld gesammelt für den Zahnersatz, was dann auch irgendwann also von Kutton
00:04:39: Enselin, die im Gefängnis war, was dann irgendwann auch zusammen Rausschmiss geführt hat.
00:04:43: Aber er hat es ja dann trotzdem bis zum Intendanten am Burg Theater und später auch am Berliner
00:04:48: Ensemble gebracht.
00:04:49: Ja, allerdings.
00:04:50: Wow, da so.
00:04:51: Ja, da hat er kein Rebel mehr.
00:04:53: Aber er war schon dann am Berliner Ensemble in Mainstream angekommen.
00:04:57: Richtig.
00:04:58: Dann haben wir auch noch die ARF runtergebracht und sind ja wirklich tief in den 70ern damit
00:05:01: gelandet.
00:05:02: Ja.
00:05:03: Okay, können Sie sich noch an was erinnern, was Sie dann im Theater gesehen haben, was
00:05:06: Sie ganz besonders beeindruckt hat oder geprägt hat?
00:05:09: Ich kann mich tatsächlich noch an viele der Bilder erinnern von bestimmten Stücken,
00:05:15: zum Beispiel hat Peimann selbst Faust 1 und 2 gemacht.
00:05:19: Das habe ich glaube ich ein paar Mal gesehen und ich erinnere mich an Frühlingserwachen
00:05:25: und auch in viele andere Stücke, aber das sind vielleicht so die beiden Prägen.
00:05:28: Und ich erinnere mich aber auch daran, dass Peimann immer selbst da war.
00:05:34: Das hat er auch später in Berlin, wo ich ihm dann natürlich auch begegnet bin.
00:05:37: Oft war das auch so.
00:05:39: Und in Berlin ging er auch manchmal zu Kollegen ins Theater, aber meistens ging er nach einer
00:05:43: Viertelstunde wieder raus, weil sie ihn nicht interessiert hat.
00:05:46: Da fand es zu Hause die Schöne und ist dann schnell wieder zurück ans BI gefahren.
00:05:49: Und damals in Stuttgart kam er immer so um kurz nach acht und hatte dann keine Garten
00:05:54: bekommen haben, seinen Jugendlichen Fanclub noch reingelassen.
00:05:58: Also, wir waren da so, wie wir angefangen haben Theater zu gucken, waren wir so 14
00:06:02: oder so.
00:06:03: Und dann kam er immer und hat aufgemacht und das fand ich super und hat uns auf die Treppen
00:06:06: gesetzt.
00:06:07: Was nicht erlaubt ist.
00:06:09: Haben Sie so was wie ein Jugendkulturing im Grunde dann initiiert?
00:06:13: Genau.
00:06:14: Ich habe mich immer gedacht, das wäre auch für heute viel Sinn vor einer Stadt, was
00:06:17: wir und die Lehrerin versuchen, die Schüler ins Theater zu bringen.
00:06:20: Dass sie es unter sich organisieren, aber da braucht es natürlich keine Ahnung.
00:06:26: Das ist nicht so einfach, das von außen zu initiieren.
00:06:28: Da müsste man ja so Agenten produzieren und vielleicht schaffe ich es noch.
00:06:36: Gut.
00:06:37: Mal sehen.
00:06:39: Und dann sind Sie ja, wie Sie schon gesagt haben, verschickt worden nach Frankfurt und
00:06:45: Sie haben schon gesagt, Sie haben dann die Richtung Geisteswissenschaften eingeschlagen.
00:06:48: Wie ist es denn dann genau zu den Fächern gekommen, die Sie dann genommen haben?
00:06:52: Das ist eine sehr gute Frage, wie es zu den Fächern gekommen ist.
00:06:57: Ich glaube, dass ich Geschichte studiert habe.
00:07:05: Das hat etwas zu tun am Schluss mit einem speziellen Interesse auch für die Zeitgeschichte.
00:07:13: Damals gab es ja noch eine sehr intensive Auseinandersetzung auch mit dem Holocaust, der ja quasi verbunden
00:07:20: war mit unserer Eltern- und Großelterngeneration.
00:07:24: Viel stärker natürlich auch als heute, weil das natürlich für heutige Studierende liegt
00:07:28: es viel weiter in der Vergangenheit.
00:07:30: Ich glaube, das war so der wichtigste Punkt.
00:07:35: Ich glaube nicht, dass ich mir ganz klar darüber bewusst war, wie viel ich mich dann auch mit
00:07:41: Alter und mittelalterliche Geschichte auseinandersetzen musste.
00:07:44: Fand es dann aber auch recht interessant.
00:07:46: Und Romanistik würde ich sagen, habe ich studiert, weil ich halt ein großes Interesse
00:07:51: an Frankreich und den romanischen Ländern hatte und weil ich sehr, sehr viel gelesen
00:07:59: habe.
00:08:00: Und dadurch dachte, wenn hat mehr zu auswärmen, man könnte ja auch deutsche Literatur und
00:08:05: so was studieren, aber ich dachte dann französische ist doch irgendwie interessanter.
00:08:09: Und kenne auch die französische Literatur dadurch natürlich ein bisschen unerfreulich
00:08:14: noch besser als die deutschen noch aus der Zeit.
00:08:17: Und wenn Sie so an Ihre Studienzeit in Frankfurt jetzt zurückdenken, gab es da besondere Highlights,
00:08:22: so was wo Sie ganz besonders gerne.
00:08:24: Na ja, das ist wirklich eine ernsthafte, intellektuelle Highlight.
00:08:28: War natürlich, dass es da die Frankfurt der Schule, also das Erbe der gesamten Frankfurt
00:08:32: der Schule noch da war und eine sehr politisierte, sowohl Studentenschaft als auch Dozentenschaft.
00:08:40: Und das war super interessant.
00:08:43: Und im Nachhinein bedauere ich es eigentlich auch, dass ich da doch wie ich ein Jahr später
00:08:47: den Studienplatz in Tübingen, den ich ursprünglich wollte, dass ich dann da gleich hin bin.
00:08:53: Vielleicht hätte ich besser noch mindestens ein Jahr länger in Frankfurt bleiben können,
00:08:57: weil das tatsächlich sehr interessant war.
00:08:59: Vor allem auch die Eltern, also die Eltern, das waren eher so Doktorantinnen, die dann
00:09:08: wirklich ein sehr großes Wissen hatten, auch über, ja, im Grunde so linke Theorie.
00:09:15: Und ja, das waren gute Zeiten in Frankfurt.
00:09:20: Genau, dann haben Sie doch Ihren Wunschort gefunden mit Tübingen wieder.
00:09:25: Das war schon ziemlich erwächstlich wahrscheinlich, oder von der Großstadt, von dem Frankfurter
00:09:30: Schule, was Sie gerade beschreiben, dann nach Tübingen.
00:09:32: Wie haben Sie das wahrgenommen?
00:09:33: Tübingen war so eine cozy Kleinstadt, die eigentlich nur, das würde ich sagen, auch
00:09:40: wahrscheinlich bis heute so, ich war lange nicht mehr da, die im Wesentlichen nur aus
00:09:44: Universität bestand.
00:09:45: Und da war ich ja dann auch nur erst mal ein Jahr, dann bin ich nach Frankreich gegangen
00:09:51: ein Jahr.
00:09:52: Und Tübingen war schon interessant in Bezug auf so die dozierenden Teilweise.
00:10:00: Also da gab es dann immer diese riesigen Ringvorlesungen von Küngen und Bausinger und so.
00:10:07: Also das war schon interessant, aber die Stadt war natürlich ein bisschen klein, genau da
00:10:12: bin ich nach einem Jahr weg, dann bin ich wieder zurück.
00:10:14: Und dann wuchs dann doch schon bald die Sehnsucht, mal wieder in eine größere Stadt zu gehen.
00:10:20: Ja.
00:10:21: Und dann haben Sie ein Abstand nach Frankreich gemacht.
00:10:24: Wie ist es da zu kommen, gerade Montpellier?
00:10:26: Also zu Montpellier kam es eigentlich, weil alle nach Paris gegangen sind, mit denen
00:10:32: ich zusammen studiert habe.
00:10:34: Und ich dachte so, das ist vielleicht nicht so wahnsinnig gut für den Spracherwerb, wenn
00:10:39: ich damit lauter deutschen Freunden hingehe.
00:10:41: Dann dachte ich, nehm ich lieber eine andere Stadt.
00:10:43: Naja, und weil ich auch gerne am Meer und im Süden filmen und weil das natürlich auch
00:10:47: eine historisch wichtige Universitätsstadt ist, bin ich dann nach Montpellier gegangen.
00:10:52: Und wenn Sie so den Zusammenhang, das Sie in der Gesamtheit angucken, Frank, Thierbéin,
00:10:58: Montpellier, haben Sie noch viele Kontakte mit Studienkollegen aus der Zeit?
00:11:03: Also nicht so viele, muss ich sagen.
00:11:05: Also schon natürlich ein paar, aber jetzt nicht dadurch, dass ich ja dann irgendwann ziemlich
00:11:09: stark das mit hier gewechselt habe.
00:11:11: Ich habe schon ein paar Kontakte, aber jetzt nicht so wahnsinnig viele.
00:11:14: Ja.
00:11:15: Okay.
00:11:16: Und dann ging es ja weiter.
00:11:17: Dann sind Sie erst mal auch im Unibetrieb geblieben, ne?
00:11:20: Mhm.
00:11:21: Und dann haben Sie das mal gemacht.
00:11:22: Ich wollte eigentlich in Tübingen promovieren und dann bin ich aber nach Heidelberg gezogen.
00:11:27: Und ich habe eigentlich nicht so richtig lange dann noch ohnehin gemacht.
00:11:33: Ich habe dann in Heidelberg angefangen, in Mannheim, also ich habe in Heidelberg gewohnt,
00:11:39: habe in Mannheim angefangen, in einem Museum zu arbeiten, Museum für Verkehr und Technik.
00:11:43: Das war so ein Museum im Aufbau.
00:11:44: Eigentlich wie so das Pendant zu dem Münchner Technikmuseum, aber so sozialhistorisch ausgerichtet.
00:11:52: Also da ging es eher um die Frage, was da eigentlich die Industrialisierung für die
00:11:57: Menschen bedeutet, jetzt mal recht verknabbt.
00:12:00: Da habe ich eine Weile gearbeitet und dann sind wir aber nach Berlin gezogen, mit dem
00:12:05: späteren Vater meiner Kinder, der Professor war, aber Mathematiker, also quasi was anderes,
00:12:11: als ich jetzt so gemacht habe.
00:12:13: Und genau, der hatte den Ruf nach Berlin und ich hatte ja eh eine gewisse Sehnsucht
00:12:19: nach Großstadt und bin dann auch sehr, ich habe ihn als sehr ermutig sozusagen nach Berlin
00:12:24: zu gehen.
00:12:25: Der war ein Heidelberg-Professor davor gewesen und genau, dann sind wir nach Berlin gezogen
00:12:29: und dann hatte ich so einen leichten Karriere-Cut, weil ich dann ein paar Kinder gekriegt habe,
00:12:35: hier an der Zahl.
00:12:36: Und dann war es eigentlich so, wie ich dann in Berlin war und diese vier Kinder gekriegt
00:12:41: habe in relativ kurzer Zeit, dachte ich so, okay, jetzt sind meine Chancen auf dem beruflichen
00:12:48: Markt bei Null angekommen und damit kann ich jetzt eigentlich auch das machen, was ich
00:12:53: im Grunde schon immer machen wollte, Theater.
00:12:56: Also so kam es ein bisschen zu dem Schwenk.
00:12:58: Ich dachte jetzt kriege ich eh nirgendwo mehr einen Job mit vier kleinen Kindern, dann
00:13:01: kann ich eigentlich mal das versuchen, was ich eigentlich machen will.
00:13:05: Genau, so kam es zu dem Schwenk zu Theater.
00:13:07: Haben Sie da noch einen Moment im Kopf, wo Sie sagen, da boten wir das klar?
00:13:12: Also der erste Moment ist, dass ich dachte, ich habe dafür natürlich nichts gelernt und
00:13:19: mich dann entschieden habe, dass ich mir mal von der Fernunion haken war.
00:13:23: Ich hatte ja eben diese vier kleinen Kinder, also die sind ja auch ein bisschen betreuungsintensiv.
00:13:27: Dass ich mir von der Fernunion haken, diese Unterlagen für Kulturmanagement schicken lasse
00:13:32: und die kamen dann auch an, also die hatte ich dann auch.
00:13:35: Das war der erste Moment und der zweite Moment war kurz drauf und der war dann eigentlich,
00:13:40: der ist dann auch schon direkt in meine spätere berufliche Karriere eingebogen.
00:13:45: Ich war auf einer Premiere, ich glaube das war ein Altenburg, der von einer Freundin von
00:13:50: mir, die Regisseurin war und habe da eine andere, also einfach nur auf der Premierenfeier
00:13:56: eine Regisseurin kennengelernt und wir haben uns so unterhalten und die fragte so, was
00:14:00: ich mache und dann habe ich gesagt, ja eigentlich bin ich ja mit den vier Kindern, aber ich
00:14:04: würde gerade anfangen so ein Kulturmanagement Fernstudium zu machen und die meinte dann,
00:14:10: das ist jetzt natürlich nicht so gut für universitäre Ausbildung.
00:14:13: Das ist super, so eine Person genau brauche ich und dann habe ich gesagt, na ja gut, das
00:14:17: brauchst du eigentlich nicht, ich habe es ja noch gar nicht gemacht, also ich plane es
00:14:20: ja nur und sie sagte aber, das ist egal.
00:14:24: Ich suche die Produktionsleiterin, das wäre super, wenn du das machst, genau und dann
00:14:31: habe ich sie gefragt, was man dafür können muss und dann meinte sie vor allem, müsst
00:14:33: sie immer gute Nerven haben, wenn alle durchdrehen, genau, das war dann mein erster Job in
00:14:40: dem Bereich.
00:14:41: Dann konnten sie auch Unipräsident machen, das sage ich so ähnlich.
00:14:44: Also Unipräsidentin könnte ich glaube ich nur deswegen nicht machen, weil ich keine
00:14:50: Profisorin bin, aber sonst von den Managementqualitäten könnte ich es vielleicht schon, genau.
00:14:56: Klar, was ihr jetzt gerade so schön gesagt habt, muss ich nur die Nerven bewahren und
00:15:00: alle dann durchdrehen, da habe ich mich wiedergefunden mit meinem Jobprofil manchmal.
00:15:04: Ja, ja.
00:15:05: Gut, und genau, dann war das der Einstieg, wie sie sagen, in ihrer neue Karriere.
00:15:10: Wann würden sie denn sagen, haben sie gemerkt, okay, das ist jetzt aufgegangen, also jetzt
00:15:15: bin ich Kulturmanagerin oder wann haben sie zum ersten Mal gedacht, jetzt bin ich wirklich
00:15:19: in einer neuen Rolle und was war das dann?
00:15:22: Also relativ schnell eigentlich, das war ja so das Berlin der Nachwendezeit, in dem ich
00:15:28: angefangen habe und das war einfach so eine Zeit, ich habe dann Produktionen in Sofinsellen
00:15:33: gemacht und ag ich schon bei meiner ersten Produktion, hat mich der damalige Leiter der
00:15:38: Sofinselle gefragt, ich auch in Sandig, ob ich mir vorstellen könnte seine Nachfolge
00:15:42: zu machen und die Sofinsälle waren halt ein kleines, aber sehr umtriebiges Theater,
00:15:48: das überhaupt kein Geld hatte, aber das ist der Produktionsort von Sascha Walz war,
00:15:52: die damals schon es zu relativer Berühmtheit gebracht hatte.
00:15:56: Das war eigentlich so der hipste Ort im neuen Berlin, das damals noch nicht neues Berlin
00:16:00: hat hieß und insofern habe ich relativ schnell gemerkt, weil das halt so eine Zeit war, wo
00:16:06: es wahnsinnig viele neue Akteure gab, wahnsinnig viele neue Orte, also ich würde immer sagen,
00:16:11: das war so eine Goldgräberzeit für die Kunst des Berlins, der Nachwendezeit ab der Mitte
00:16:16: der 90er oder Anfang der 90er, genau und deswegen ging alles schnell, dadurch dass es Goldgräberzeit
00:16:23: war, ging in Karrieren beschleunigt und ich habe es recht schnell gemerkt.
00:16:27: Also spätestens, als ich vielleicht zwei Jahre nachdem ich angefangen hatte gefragt
00:16:32: wurde, ob ich irgendwo unterrichten kann, Kulturmanagement, spätestens da habe ich es
00:16:38: gemerkt, dass es eigentlich ganz gut läuft.
00:16:40: Sehr schön.
00:16:41: Und dann, genau, ich muss mal so ein bisschen nach vorne, weil Sie das jetzt so gerade sagen,
00:16:47: der hipster Ort, so ein Ort des Aufbruchs, in meinen Reindruck ist, Kampenarge ist ja
00:16:51: eigentlich dann auch so ein ähnlicher Ort, oder?
00:16:53: Also ich würde nicht sagen, dass ich den Weg, den ich damals eingeschlagen habe, dann irgendwann
00:16:58: komplett verlassen habe, sondern ich habe dann, glaube ich, schon sehr systematisch an so
00:17:05: einem Bild von performativen Künsten, von Performing Arts, was quasi kein klassisches Theater
00:17:12: ist, sondern ich würde auch Kampenagel als ein Kind der Avangard bezeichnen, also ein
00:17:19: Ort eben, der in der Tradition der Avangardkunst steht, die es ja auch schon seit 100 Jahren
00:17:24: gibt.
00:17:25: Ich glaube, daran habe ich immer weitergebaut und ich habe auch, das ist der eine Teil,
00:17:29: an dem ich weitergebaut habe, also dann über die doch inzwischen schon lange Zeit, die
00:17:35: ich in dem Feld arbeite.
00:17:37: Und ich habe auch gearbeitet an dem, was mich in der Nachwendezeit geprägt hat, nämlich
00:17:42: diesem Bespielen auch für den ungewöhnlichen Orten, von Ruin, von interessanten Orten,
00:17:49: von denen Berlin ja voll war, lauter ein bisschen halbzerstörte Orte, wo heute überall Edelbuttiken
00:17:54: drin sind, halbzerstörte Orte, die einfach eine superinteressante Geschichte haben,
00:17:59: irgendeinen altesten, legendäres Kaufhaus aus den 20er Jahren des 20.
00:18:03: Jahrhunderts oder diese Mädchenschule, die immer wieder bespielt wurde, eine ehemalige
00:18:09: Poststelle, Palasterepublik, den ich so Anfang der 2000er als dekonstruierten Ort bespielt
00:18:16: habe.
00:18:17: Und auch dieses Faible, das Orte auch interessante, also die eine Möglichkeit, Theater zu machen,
00:18:24: ist ja mal baut ein ganz tolles Bühnenbild und das setzt man ins Theater rein, gibt es
00:18:28: bei uns natürlich auch.
00:18:29: Und dann wird da ein Stück gespielt.
00:18:31: Man kann aber auch sagen, ich such mir einen sehr interessanten Ort und setze mich mit
00:18:35: dem dann künstlerisch auseinander, egal mit dem Theaterstück, mit der Installation
00:18:39: und so weiter.
00:18:40: Und quasi diesen zweiten Teil habe ich halt auch weitergeführt auf Kamptnagel, also
00:18:46: neben dem, dass wir ohnehin schon ein immens großes Gelände bespielen, machen wir eben
00:18:51: immer wieder auch Projekte in der Stadt.
00:18:53: Also zuletzt in dem Kaisprecher, was der frühere Afrikatherminal war, direkt hinter der HCU,
00:19:01: ist noch so ein Brachland in der Hafencity, also vor der quasi Umnutzung, die dann irgendwann
00:19:08: auch kommen wird.
00:19:09: Und an vielen, vielen anderen Orten machen wir immer Projekte, zum Beispiel im letzten
00:19:14: Sommerfest, weil haben wir alle Museen der Museumsmile bespielt mit einem Choreografen
00:19:19: und so weiter.
00:19:20: Also da gäbe es jetzt sehr viele Beispiele.
00:19:21: Toll.
00:19:22: Und wenn Sie jetzt mal zurückgucken, gibt es Momente, wo Sie denken, ach guck, vielleicht
00:19:29: war es doch keine so ganz schlechte Idee, dass ich erst dieses geisteswissenschaftliche
00:19:32: Studium gemacht habe oder spielt das, wenn man Ihrer Freundin folgt, eigentlich gar
00:19:37: keine Rolle mehr, weil sie halt diese anderen Skills haben.
00:19:40: Doch, ich glaube, das spielt eine große Rolle.
00:19:42: Also es spielt auch eine Rolle in Bezug auf das, also erst mal in Bezug auf das Wissen,
00:19:48: was ich halt damals gelernt habe über Sozialgeschichte, Soziologie, Literatur, aber vielleicht sogar
00:19:54: mehr Soziologie und Sozialgeschichte.
00:19:57: Es spielt eine große Rolle, aber auch insofern, dass wir ja eigentlich kein Theater machen,
00:20:04: kein klassisches E-Performance, dass wir uns mit vielen so der globalen Transformationsthemen
00:20:10: beschäftigen und dass sich auch in Bezug auf mein künstliches Team schon seit vielen Jahren
00:20:17: nicht ausschließlich Theater- oder Tanzwissenschaftlerin oder Leute, die Theater oder Tanz studiert haben,
00:20:22: sondern auch Leute, Einstelle, die sagen wir mal Post-Colonial Studies gemacht haben,
00:20:27: die sich mit Migration und Flucht beschäftigen und so weiter.
00:20:30: Das heißt, also mein Studium hat eigentlich dem erweiterten Theaterbegriff, den ich heute
00:20:37: habe, sehr stark zugearbeitet und ich habe auch nie gedacht, dass ich jemals irgendwas
00:20:42: gelernt habe, dass ich nicht an irgendeiner Stelle auch doch gebrauchen konnte.
00:20:46: Wir kommen so langsam zum Ende, aber ich würde gerne auf einen Komplex noch eingehen, den
00:20:52: wir gerade anspielen.
00:20:53: Wie ist aus Ihrer Sicht denn so das Zusammenspiel, jetzt vielleicht auch gerade in Hamburg, zwischen
00:20:58: Kultur und Wissenschaft?
00:20:59: Also auf so einer ganz generellen Ebene denke ich, dass es eigentlich viel, viel besser
00:21:06: sein müsste.
00:21:07: Weil ich glaube, also Kunstortisien haben wir eigentlich die Möglichkeit, auch Wissenschaft
00:21:13: zu popularisieren, also Wissenschaft nochmal zu anderen Leuten hinzutragen, als das typische
00:21:20: weiße an Universitäten passiert, weil ja oft Tagungen, was ja der größte Verbreiter
00:21:27: ist für wissenschaftliches Wissen, immer Kollegen sitzen und es gibt ja sehr unglaublich
00:21:32: viel Wissen, das produziert wird, das man auch so in eine breitere Öffentlichkeit transportieren
00:21:37: könnte.
00:21:38: Und ich glaube, dafür sind Kunstorte die hoch geeigneten Partnerinstitutionen und also
00:21:45: wir machen da relativ viel, weil wir auch viel diskursive Veranstaltungen machen, Themen,
00:21:50: wie wir auch Wissenschaftlerinnen einladen von unterschiedlichen Universitäten.
00:21:54: Aber ich finde das super interessant, darüber nachzudenken, wie man sehr strukturiert auch
00:22:00: mit einer Universität wie zum Beispiel der Uni Hamburg zusammenarbeiten könnte.
00:22:04: Ja, ich glaube, mir resonierte gerade sehr stark, dass Sie eben sagten, na ja, klar, Theater
00:22:09: und gerade vielleicht auch die so weit, wie Sie das denken, Performing Arts, sich gerade
00:22:14: auch so stark mit den gesellschaftlichen Transformationsthemen auseinandersetzen.
00:22:17: Was wir natürlich auch tun mit einer anderen Perspektive.
00:22:21: Und dann die spannende Frage ist, wir erreichen eigentlich die Menschen damit, die ja eigentlich
00:22:26: da mit tun sollen, die ja eigentlich die Objekte dieser Transformation sind, bestenfalls die
00:22:31: Subjekte werden.
00:22:32: Also ich war vor vielen, vielen Jahren auf einem Nachhaltigkeitsgipfel, sagen wir mal,
00:22:37: also schon sehr lange her, im Institut für Klima-Erfolgenforschung in Potsdam.
00:22:41: Und da ging es um so eine systematische Zusammenarbeit von dem Institut und Kunstschaffenden, die
00:22:48: eingeladen waren.
00:22:49: Und eigentlich war die Idee, das hat dann nicht so, also in dem ersten Schritt hat es
00:22:54: nicht so gut geklappt, weil die Idee der Wissenschaftler*innen war eigentlich, dass wir dann für die,
00:22:59: die Öffentlichkeitsarbeit machen.
00:23:01: Aber das ist natürlich wiederum nicht unsere Idee, weil wir wollen es ja zusammenbringen
00:23:04: mit Kunst und damit quasi so eigentlich so ein bisschen vergrößern oder zerdänen.
00:23:10: Aber ich finde es immer noch ein Lohnenswert, dass wir darüber mal nachdenken.
00:23:15: Da sollten wir unbedingt fortsetzen.
00:23:17: Ich glaube dafür gibt es in Hamburg wirklich geradezu ideale Voraussetzungen.
00:23:20: Ja, sehe ich auch so.
00:23:21: Ich habe noch eine Frage zum Schluss.
00:23:23: Wenn Sie sich, liebe Frau Deufert, einmal vorstellen, Sie könnten die Gesetze der Physik
00:23:27: außer Kraft setzen und einmal nochmal zurückgreifen in die späten 70er Jahre, wenn Sie denken
00:23:34: an die junge Amelie, die gerade ihr Abi in der Tasche hat.
00:23:37: Was würden Sie der zurufen als Warnung oder Ermutigung?
00:23:42: Also ich würde der zurufen, geh mal deinen Weg und mach die Dinge, die dich interessieren
00:23:49: und auf die du Lust hast.
00:23:51: Und da glaube ich, das ist mir so ganz gut gelungen.
00:23:54: Gut.
00:23:55: Vielen Dank, dass ihr heute hier wart.
00:23:57: Vielen Dank für das schöne Gespräch.
00:23:58: Ja, gerne.
00:23:59: Hat Spaß gemacht.
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